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VON ARMEN SCHLUCKERN UND DRAMAQUEENS

• VON ARMEN SCHLUCKERN UND DRAMAQUEENS •

Bist Du jemand, der das Herz auf der Zunge hat? Ich kann ja nicht immer gleich sagen, was mich bewegt. Oft brauche ich eine gewisse Zeit, bis ich meine Gefühle in Worte fassen kann. In Konfliktsituationen ist das meistens nicht sehr förderlich, da tue ich mir – auch heute – oft noch schwer, zu sagen, was ich mir denke, was ich fühle und was ich mir wünsche. Blöd, denn der andere kann’s ja nicht riechen.

Früher war das aber noch schlimmer. Auch wenn ich ganz klar war, hab ich oft nicht gesagt, was ich gedacht habe. Mit mir streiten war unmöglich – wie will man mit jemandem streiten, der nichts sagt? Aber nicht nur meine Gedanken hab ich nicht rausgelassen, auch meine Emotionen hab ich mit schöner Selbstverständlichkeit runtergeschluckt. Bloß nicht zeigen, wies mir geht, bloß nicht weinen.

Aber was passiert, wenn man immer runterschluckt und nie zulässt und ausspricht? Ja genau, die Energie kann nicht fließen. Ich schreibe öfter übers Energiesystem und darüber, dass dieses in Harmonie und Fluss sein muss, damit es uns gut geht. Aber wenn wir das, was uns bewegt, stört, ängstigt, ärgert, überfordert, besorgt, traurig macht, immer nur runterschlucken und drinnen behalten, kann die Energie nicht fließen.

Implosion

Vielleicht könnt Ihr Euch schon vorstellen, was dann passiert. Die Energie, die sich aufstaut, hat natürlich Auswirkungen. Kloß im Hals, depressive Verstimmungen, schlecht schlafen können, Enge in der Brust, Verdauungsbeschwerden, Stoffwechselstörungen, hormonelles Ungleichgewicht, Schilddrüsenprobleme, Unverträglichkeiten, die Liste der möglichen Folgen ist nicht enden wollend. Einiges davon hab ich selbst erlebt und ich kann Euch berichten: nicht schön.

Es ist ganz klar: Wenn man den Deckel draufhält und die Emotionen (also die Energie) keinen (Aus-)Weg finden, entladen sie sich innen. Und der Teufelskreis beginnt. Zusätzlich dazu, dass wir uns unverstanden oder ungeliebt fühlen, werden wir mit der Zeit auch noch krank. Da kann man sich bisweilen schon ziemlich arm vorkommen. Da gibt es in unserem Sprachgebrauch sogar ein geflügeltes Wort dafür: ein armer Schlucker. Die komischen Menschen da draußen verhalten sich nicht so, wie wir das gern hätten (weil wir ja auch nicht sagen, was wir wollen und wie wir uns fühlen), und dann werden wir auch noch krank. Wie gemein und ungerecht…

Explosion

Manchmal, wenn sich genug Gefühl angestaut hat und der Druck zu groß wird, entlädt sich die Energie aber auch nach außen. Die ganze Traurigkeit, der ganze Ärger, die vollkommene Überforderung entlädt sich mit einem großen Ausbruch. Es fühlt sich so erleichternd an, alles rauszuschreien, den Tränen freien Lauf zu lassen, die ganze Unverstandenheit und die ganzen Vorwürfe dem Gegenüber um die Ohren zu knallen. Wie befreiend…

Aber meistens nur kurz. Denn unser Gegenüber hört wahrscheinlich zum ersten Mal etwas davon, was uns bewegt, stört, belastet, kränkt. Und das mit einer bulldozernden Heftigkeit, mit der umzugehen oft unmöglich ist. Für denjenigen, auf den sich die ganze Wucht der aufgestauten Gefühle entlädt, ist oft einfach überhaupt nicht nachvollziehbar, dass das, was er oder sie getan (oder nicht getan) hat, eine solch heftige Reaktion hervorruft.

Logisch, oder? Oft sind es ja Kleinigkeiten, oder zumindest Dinge, die schnell auszuräumen wären, wenn man in dem Moment darüber spräche, in dem es einen stört. Aber wenn wochen-, monate-, ja manchmal sogar jahrelang geschluckt und erwartet wird, dass der andere von selbst draufkommt, ist die Heftigkeit einfach schlicht nicht nachvollziehbar. Manchmal entladen sich auch ganz alte Emotionen auf jemanden, der mit der ursprünglichen Entstehung gar nichts zu tun hat.

Krieg

Genau aus solchen Situationen entstehen oft die dramatischsten Auseinandersetzungen. Gegenseitige Vorwürfe, die der jeweils andere nicht nachvollziehen kann, riesen Enttäuschung auf beiden Seiten, Kontaktabbruch, finito. Beziehungen scheitern, Freundschaften zerbrechen, Kinder reden nicht mehr mit ihren Eltern oder umgekehrt, und für einen selbst ist es auch noch eine Bestätigung, dass man ganz ganz arm ist.

Ihr lest meinen etwas provokanten Unterton bestimmt schon heraus. Und es ist nicht so, dass ich nicht verstehe, dass man sich so fühlen kann. Zum Teil hab ich selbst erlebt, was passiert, wenn man sich nach ewigem Nichts-Sagen auf einen Justament-Standpunkt stellt und davon auch nicht mehr abweicht (weil man hat ja recht, oh… ich hab so gern recht…!). Aber es führt zu nichts (außer noch mehr Leid). Und: Man hat es selbst in der Hand, etwas daran zu ändern.

Frieden

Seine Gefühle wahrzunehmen, zuzulassen und zu artikulieren ist nicht leicht, wenn man es nicht gewohnt ist. Man verhält sich ja auch nicht so, weil man doof ist, sondern dahinter steckt immer eine eigentlich gute Absicht. Man möchte nicht verletzen, man hat Angst, nicht mehr geliebt zu werden, man möchte keine Belastung sein, man möchte den Frieden wahren, man will sich anständig verhalten. Und hält den Mund und schluckt runter.

Aber aus diesen guten Beweggründen kann echter Sch*** entstehen, gesundheits- und beziehungs-schädigend, doof für alle, vor allem für einen selbst. Und auch, wenn es einem nicht leichtfällt, Dinge zu sagen, man kann es lernen. Das Impuls-Strömen hat für mich in dieser Beziehung große Veränderung gebracht. Durch die beim Strömen entstehende Entspannung lässt der Druck etwas nach und ich bekomme einen gesunden Abstand zu meinen Themen. Ich habe dadurch die Möglichkeit, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Durch die Aktivierung des Energiesystems kommt auch wieder Bewegung ins System, Blockaden öffnen sich, Körper und Geist können sich dadurch selbst wieder besser regenerieren.

Ich habe so gelernt, meine eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen, in Konfliktsituationen darauf hinzuweisen, dass ich manchmal etwas länger brauche, bis ich mich artikulieren kann, mehr Mut und Sicherheit zu fühlen, die Dinge zu sagen, die ich meine, und zu mir und meinen Gefühlen zu stehen. Es fällt mir oft noch immer nicht leicht, zu sagen, was ich fühle, aber ich arbeite daran. Und das Leid und die Dramen in meinem Leben sind definitiv weniger geworden.

 

(Foto von rawpixel auf Unsplash)
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